GEDANKEN

Nachdenkliche Geh-Danken-Anstöße

Fernweh & Heimatgefühle: EINE Welt entdecken

“Heimat ist kein Ort“, schrieb unser Freiwilliger Thomas aus Lateinamerika , „Heimat ist ein Gefühl!“

Er könnte Recht haben, denn: Heimat scheint dort zu sein, wo wir verstehen und wo wir verstanden werden.

Und plötzlich schließt sich der Kreis: Völkerverständigung kommt von Verständnis; Verständnis von Verstehen. Verstehen kann man aber nur etwas, mit dem man sich wirklich beschäftigt und dem man ernsthaft begegnet. Deshalb gilt: Verständnis braucht Begegnung! Ein Freiwilligendienst im Ausland ist die vielleicht intensivste Form dieser Begegnung, weil sie das Fremde in seiner facettenreichen Buntheit näher bringt und weil Begegnungen von Mensch zu Mensch möglich werden (jenseits von Stereotypen und Vorurteilen): ungeschönt und authentisch wird die Lebenswirklichkeit der Menschen an der Basis in Entwicklungsländern geteilt. Auf diese Weise können diese Friedensdienste eine kleine Brücke schlagen, jenseits der Zahlen, wie viele Kinder nun dank unserer Arbeit alphabetisiert, resozialisiert — oder einfach nur mal herzlich umarmt wurden.

Es mögen hoffentlich Brücken der Freundschaft und des wechselseitigen Verständnis sein, die als zärtlicher Fingerzeig in eine Welt hineinreichen, die wir alle — unterschiedlich tief verborgen — in uns tragen. Die Sehnsucht nach einer Welt ohne Gewalt, Ungerechtigkeit und Armut (Heimweh); eine Welt, in der wir ohne Stress Zeit füreinander finden, uns als Menschen — samt unserer Fehler und Schwächen — zu begegnen und zu schätzen (Fernweh).

Es braucht schon die jugendliche Unbekümmertheit unserer Freiwilligen, um diese Sehnsucht mit Leben zu füllen. Dass im Armenviertel von Santo Domingo Haitianer und Dominikaner, seit Generationen verhasst, nun plötzlich gemeinsam Fußball spielen; dass nach der Überschwemmungskatastrophe in Matagalpa (Nicaragua) unsere FW Anne und Kolja beherzt angepackt haben, dass Kinder in Jujuy dank Lina, Tine, Max und Khoa nun ein Ferienprogramm abseits der Gefahren der Straßen erfahren, dass in Peru indigene Bauernfamilien sich mit einem Mikrokredit eine Existenz aufbauen können; dass in Südafrika, Mexico und Brasilien Straßenkinder in ein zuversichtlich lachendes Gesicht statt in den Lauf einer Pistole schauen, oder dass in Russland alte Menschen (60 Jahre nach dem Krieg) von deutschen Jugendlichen gepflegt werden… Kurz: Dass 82 Jugendliche sich in 12 Ländern jeden Tag Mühe geben, benachteiligten Menschen zu helfen, die sonst allzu oft Hände suchen, aber nur Fäuste finden — all das mag in Dimensionen der Weltgeschichte gemessen keine, aber auch gar keine Bedeutung haben. Das Richtige zu tun, ist es trotzdem.

“Ihr werdet nicht die Welt verändern”, gab unser Ex-FW Manuel seinen Nachfolgern mit auf den Weg, “aber Ihr könnt drei, zwölf oder sogar zwanzig Welten verändern — nämlich die Welten der Kinder, mit denen Ihr jeden Tag zusammenarbeitet!” Für einen Moment, hoppla!, möchte man glauben wir lebten in der besten aller möglichen Welten. Für diese Naivität ernten wir manchmal sympathisches Unverständnis oder ein mitleidiges Lächeln. Doch hat die Welt nicht schon Gefährlicheres gesehen, als ein paar Dutzend Jugendliche, die mit Büchern, Bällen, Gitarren und Clowns-Nasen bewaffnet, Kindern eine “Heile Welt” schenken wollen — oder wenigstens ein paar “heile Stunden”? Für diesen Traum sollten wir uns nicht schämen müssen. Er sollte uns mit tiefer Dankbarkeit gegenüber Ihnen, den Freunden, Spendern und Ermöglichern, erfüllen — und mit der zerbrechlichen Hoffnung, ihn noch eine Weile am Leben halten zu dürfen.

Es mag nicht die beste aller Welten sein, aber es ist die uns anvertraute. Freunde, es gilt eine Welt zu entdecken — und wir meinen: EINE Welt (ohne erste und Dritte Welt)! Haben wir sie erst einmal entdeckt und in ihrer ganzen Buntheit verstanden, dann werden wir sie auch wie etwas unendlich Liebgewonnenes verteidigen. Denn Heimat ist kein Ort. Es ist ein Gefühl.

Ihr & Euer Pablo Schickinger 

PS: “Es ist mit der Liebe wie mit den Pflanzen: Wer Liebe ernten will, muss Liebe säen.”



Liebe Freunde, Liebe Leserinnen und Leser,

„Optimismus ist nichts anderes, als ein Mangel an Information“. So nüchtern hörte ich neulich einen Deutschen seinen Pessimismus über die Entwicklungen in der Welt kommentieren (Umweltverschmutzung, Kriege, gefühlte “Flüchtlingsströme”, Arbeitslosigkeit, Seuchen, Turbo-Kapitalismus und Zukunftsangst). Neben Sarkasmus und Zynismus lassen solche Äußerungen auch viel Hilflosigkeit durchscheinen, nach dem Motto: Egal, was Du tust – es bringt ja doch nix! Warum also nicht gleich die Flinte ins Korn werfen und den Kopf in den Sand?
In Afrika heißt es manchmal: „You Germans … you commit suicide too easily!” Frei übersetzt: Ihr habt so viele Möglichkeiten (von denen wir nur träumen können) – warum macht Ihr nicht was draus? Warum gebt Ihr so schnell und so leicht auf? Auch in diesem Punkt könnten wir noch vieles von unseren Partnern in der Welt lernen.
Die Freiwilligendienste in Entwicklungsländern können durchaus entsprechende Lernprozesse in Gang setzen, wie unser Freiwilliger Manuel Ebert nach seiner Rückkehr zeigt. Er schildert eine seiner großen Lern-Erfahrungen:„Ich habe in Südafrika mit Straßenkindern gearbeitet und dabei von den Kindern gelernt, wie man – auch wenn das Schicksal selbst gegen Einen zu spielen scheint – die Hoffnung und die Kraft behält; sich mit Allem, was einem bleibt, an das Leben zu klammern und in dem festen Glauben an eine bessere Zukunft nicht aufzuhören, für seine Rechte und die seiner Freunde zu kämpfen. Diesen noch so kindlichen und naiven Willen kann man von keinem Lehrer oder Professor gelehrt bekommen; man kann ihn nur lernen von einem 11-jährigen, der Mutter und Vater verloren hat und in Mülltonnen nach seinem Frühstück suchen muss.“
Wir – die Weltweite Initiative – haben uns für dieses Jahr vorgenommen, jungen Menschen in Deutschland und der Welt noch mehr Mut zu machen. Mut zu lernen. Mut zu helfen. Und: Mut zu leben!
Wenn ich höre, mit welcher Begeisterung unsere Freiwilligen in Guatemala eine „Stadt der Hoffnung“ aufbauen, in Bolivien ein sozialkritisches Theaterstück einstudieren, in Santa Cruz die mobile Schule weiterentwickeln, in Nicaragua ein Bildungspavillon zimmern, in Ghana ein Krankenhaus unterstützen, oder in Südafrika das therapeutische Reiten für Behinderte organisieren – dann fühlt sich das an wie …vorgezogener Frühling.Nennen Sie es, wie Sie wollen: „Tropfen auf den heißen Stein“; „Impfkristalle“ (wie in der Chemie); „freundschaftliche Zeichen der Hoffnung“ oder: „kleine Gesten der Solidarität“. Unser Engagement mag nicht mehr sein als eben das. Aber auch nicht weniger.
Nehmen wir an: Wir sitzen alle in einem Boot, das sich kaum vorwärts bewegt. Der Optimist meint: „Gleich wird der Wind kommen!“; der Pessimist: „Wir werden absaufen – da kommt kein Wind!“ Aber die (lebenswilligen) Realisten unter uns werden ein Ruder in die Hand nehmen – und ihr Glück versuchen. Wie weit wir dabei kommen, mag dann (fast) sekundär sein. Ich wünsche mir für das Einsatzjahr 2017, dass jeder sein Herz in die Hand nimmt – und ein Ruder gleich dazu – und den Mut zeigt, bei den kleinen Dingen anzufangen.
„Das Leben“, schreibt unser Freiwilliger Alex, „ist eine Chance für das Schöne!“ Helfen Sie an Ihrem Ort mit, dass er Recht behält.
Ihnen allen ein gesundes, glückliches und (vor allem) friedliches Jahr!
Ihr Pablo Schickinger